China

Barbara Lange

Onkel Ma

17.04.2024

Am dritten Tag meines Aufenthalts bei der Universität in Hangzhou besuchen wir einen ehemaligen Schüler der Hochschule, der sich jetzt Onkel Ma nennt. Wir, das sind ca 10 Professoren von allen möglichen Lehrstühlen für Modedesign und ca 50 Studenten. Onkel Ma hat seine Frau im Studium kennengelernt. Zusammen haben sie ein kleines Imperium aufgebaut. Was ursprünglich als kleine Schneiderei in einer Einzimmerwohnung anfing, ist jetzt ein Unternehmen, mit 300 Mitarbeiter:innen. Die Firma bringt jedes Quartal eine Kollektion mit ca 300 Modellen heraus. Im Schnitt verkaufen sie von jedem Modell ca 3000 Stücke. Die Spitzenprodukte verkaufen sich ca 10.000 Mal . Wir besichtigen die Abteilung für den Versand, den Raum, wo die Modelle für die Kollektionen hergestellt werden und den Raum für die Materialbeschaffung. Nebenan ist ein Zimmer, in dem ein live-Onlineshop betrieben wird. Noch mal daneben werden gerade ca 30 Leute geschult, wie sie die Marke auf Messen vertreten sollen. Wir werden einen Raum geführt, der modellladen darstellt. Hier werden die Foto Aufnahmen gemacht, wie die einzelnen Ladeninhaber  die Ware in ihren Läden präsentieren sollen. Das Konzept ist, Kinderkleidung zu produzieren, die einerseits bezahlbar ist aber keine Billigware. Und andererseits soll diese Kleidung, zwar nett aussehen, aber, so die Idealvorstellung, die Kinder nicht zu Modepüppchen verkommen lassen.

Onkel Ma ist eine charismatische Persönlichkeit, der seine Zuhörer in den Bannen ziehen kann. Er bringt es glaubwürdiger rüber, dass es ihm wichtig ist, die Unschuld der Kinder zu bewahren. Er erzählt lange von seinem Werdegang und von seiner Vision und plötzlich heißt es, dass ich nun dran sei und ich ja eine Präsentation gehalten hätte, in der ich meine Arbeiten vorgestellt habe. Die sollte ich doch bitte nochmal halten. Die Präsentation hätten sie auf einem Laptop dabei. Ich hätte ca eine halbe Stunde Zeit. Onkel Ma sei sehr an meinen Arbeiten interessiert, vielleicht könnte ich ja einen Bezug zu seiner Firma herstellen. Das Ganze beginnt in 5 Minuten. Halleluja! Die Sache mit der Vorankündigung die üben wir aber noch mal, Leute! Ich weiß nicht ob das Spontanität oder Verpeiltheit ist oder ob diese Methode System hat, weil sie schauen wollen, wie schnell man auf den Füßen ist. Jedenfalls finde ich mich 5 Minuten später vor einer Gruppe und halte meine Präsentation von vor zwei Tagen noch einmal, aber dieses Mal unter einem komplett neuen Vorzeichen. Nach der Präsentation werden die Professoren und ich zu Onkel Ma in sein Besprechungszimmer eingeladen. Die anderen kramen in Erinnerungen an seine Hochschulzeit, tauschen Anekdoten über ihre eigenen Kinder aus und besprechen, wie zukünftige zusammenarbeiten aussehen können. Und wieder einmal frage ich mich: wie bin ich in diese Situation eigentlich hineingeraten?