Die Erfahrung der letzten Reisen hat mich gelehrt, dass man die ersten zwei Tage einer Fernreise eigentlich immer vergessen kann. Der Jet-lag und die Wetterumstellung machen mir regelmässig zu schaffen und dazu kommen dann die ganzen organisatorischen Dinge, die man erledigen muss. Anscheinend hatte ist das Schicksal es aber jetzt satt, dass ich diese zwei Tage einfach nur über mich ergehen lasse und hat für ein bisschen zusätzliche Aufregung gesorgt. Am ersten Abend hatte ich mich früh schlafen gelegt und wurde dann um 21 Uhr von heftigsten Klopfen an der Hotelzimmertür geweckt. Zwei Polizisten standen vor meinem Zimmer und wollten noch mal meinen Ausweis sehen. Den hatten die Damen an der Rezeption zwar bereits ausgiebig fotografiert aber offensichtlich war das nicht ausgiebig genug und deswegen standen da jetzt zwei uniformierte Herren vor mir und wollten mein Pass und Visum noch mal fotografieren. Danach war ich wach. Von schlafen war keine Rede mehr. Aber egal: Schlaf ist eh überbewertet. Am Nachmittag wurde ich abgeholt, um nach Ningbo zu fahren. Die ersten 14 Tage werde ich hier an der Hochschule für Textiles vier verschiedene Kurse unterrichten. Den vorlesungsfreien Montag haben wir genutzt, um die Räumlichkeiten noch mal anzusehen und den endgültigen Stundenplan festzulegen. Beim Mittagessen ist mir dann ein Inlay von einem Zahn rausgefallen. Ich habe kurz überlegt, ob Zähne vielleicht auch überbewertet sind aber noch während ich am abwägen war, hatten meine chinesischen Kolleginnen bereits einen Zahnarzttermin organisiert. Das ging ziemlich zügig und bereits eine Stunde später saß ich wieder an meinem PC und war dabei, Unterricht vorzubereiten. Allerdings sagt sich das so einfach. Im Alltag fällt einem gar nicht auf, wie oft man zwischendrin ins Internet geht, um etwas nachzuschauen, sich Inspiration zu holen oder ganz einfach nur, um fertige Unterlagen zu verschicken. In China ist das oftmals mit Klimmzügen verbunden. Zwei meiner E-Mail-Adressen funktionieren nicht, Signal ist geblockt, Google und Youtube sowieso und wenn nimmt man eine alternative Suchmaschine verwendet, zeigt diese nur chinesische Ergebnisse. Ich würde ja wirklich gerne sagen, dass Internet auch überbewertet ist, aber angesichts der Tatsache dass ich gerade hier einen Blog schreibe, erscheint das mir ein bisschen schizophren.