Von Suzhou hatte ich mir mehr versprochen. Das liegt aber auch daran, dass ich mich im Vorfeld wahrscheinlich nicht gut genug informiert hatte. In meiner Vorstellung hatte ich eine Wasserstadt ähnlich wie Wuzhen erwartet, ergänzt um ein paar schöne Gärten. Das stimmt insofern, als es in Suzhou tatsächlich einige schöne alte Gartenanlagen gibt, die Gärten gelten sogar als Weltkulturerbe. Allerdings sind die Gärten am Wochenende so voll, dass man sie vor lauter Gewuzel nicht wirklich genießen kann.
Die Wasserstadt ist auch nicht von alten Holzhäusern gesäumt, sondern wird von Steinhäusern umrahmt. In vielen Straßen sind Autos und die allgegenwärtigen E-Roller erlaubt. Aber auch in der reinen Fußgängerzone kommt nicht das Flair von Wuzhen auf, weil die Häuser vergleichsweise modern wirken und viel Reklame an den Fassaden haben. Und überall laufen wieder die Internet-Sternchen in ihren modernen Interpretationen traditioneller Gewänder herum und fotografieren ich gegenseitig. Oder sie heuern einen Profi-Fotographen an, der sie bei ihrem Rundgang begleitet. Die Kleider sind in einem der vielen Läden geliehen, die sich genau auf dieses Geschäft spezialisiert haben. Es gibt Gewänder, Perücken, Schminkservice und Accessoires. Nur Schuhe bekommt man nicht. Und so laufen die eleganten Damen mit ihren fließenden Gewändern und aufwändigen Frisuren mit Turnschuhen rum. Oder mit Plateau-Crocs. Das gibt es. Wirklich! Ist der letzte Schrei in China.
In einer kleinen Seitenstraße finden wir ein Café, von dem man nicht weiß, ob es aufhatte oder nicht. Wir bekommen zwar auf Nachfrage einen Kaffee und einen Tee, sie stellen uns sogar einen Tisch und zwei niedrige Klappstühle direkt am Kanal auf, aber außer uns kommen am gesamten Nachmittag keine weiteren Gäste. Es gibt auch keine weiteren Sitzgelegenheiten. Der Kellner erscheint auch nie. Ich habe den leisen Verdacht, dass auf einem Tuch, das an einem Sonnenschirm befestigt war, stand „Heute kein Café-Betrieb!“. Das Chinesische Zeichen für Kaffee stand auf alle Fälle drauf. Den Rest konnte ich nicht entziffern. Aber warum sie nur uns bedient haben, erklärt das erst recht nicht. Wir sitzen dort ganz gemütlich und lassen die Karawanen von Internet-Sternchen und Fotographen an uns vorbeiziehen.
Als es abends ruhiger wird, gehen wir weiter und suchen uns ein Lokal. Es ist jetzt zwar angenehmer zu Laufen, aber so richtige Begeisterung kommt bei uns nicht auf. Vielleicht sind wir auch einfach nur durch. Selbst auf dem Weg ins Hotel begegnen uns in der Bahnunterführung immernoch die Fotografen. Wir jedenfalls gehen vergleichsweise früh zu Bett. Trotz allem sind wir auch heute wieder 23.000 Schritte gelaufen.